Online-Scheidung: Was bedeutet das eigentlich?

Wer sich heutzutage scheiden lassen und dabei insbesondere auch die Kosten im Blick halten möchte, stolpert unweigerlich über den Begriff Online-Scheidung bzw. Kanzleien, die eine Online-Scheidung anbieten. Doch was verbirgt sich eigentlich dahinter? Ist die Online-Scheidung eine besondere der Form der Scheidung - vergleichbar mit anderen Waren und Leistungen, die man als Verbraucher*in online bestellen bzw. beauftragen kann? Oder handelt es sich dabei vielmehr um ein Werbeversprechen auf eine Leistung, die es in der Form gar nicht gibt? 

Ich sage offen: Nach meiner Überzeugung ist Letzteres der Fall. Die Online-Scheidung ist in meiner Beurteilung ein Werbeversprechen. Damit Sie sich selbst eine Meinung bilden können, lesen Sie im Folgenden gerne den Hintergrund dazu.

Laut „Wikipedia“ ist die Online-Scheidung oder auch Internet-Scheidung „…eine Bezeichnung für eine Scheidung, bei der die Korrespondenz zwischen Antragsteller (Mandant) und seinem Verfahrensbevollmächtigten (Rechtsanwalt) online erledigt wird (per Online-Formular bzw. E-Mail). (…) Das Scheidungsverfahren beim Familiengericht, welches mit dem Ausspruch der Scheidung endet, verläuft allerdings nicht online".

Hand aufs Herz

Erledigen wir alle nicht ohnehin den überwiegenden Teil unserer Korrespondenz online, also mittels E-Mails, Chat- und Messenger-Diensten? Und ist es tatsächlich eine Besonderheit des Scheidungsmandats, die Korrespondenz zwischen Mandant*in und Anwalt*in online zu erledigen? Definitiv nicht.

Selbstverständlich hängt es vor allem vom Umfang und Gegenstand sowie ggfls. den persönlichen Vorlieben der Beteiligten ab, ob der Informationsaustausch mittels E-Mails ausreichet oder ob der persönliche Kontakt zwischen Mandant*in und Rechtsanwalt*in sinnvoll oder gewünscht ist. Das ist jedoch keine Besonderheit des Scheidungsmandats, sondern trifft – jedenfalls in meiner Kanzlei rechtanders – auch auf alle anderen Mandate zu.

Datenübermittlung an das Gericht immer auf elektronischem Wege

Die Übermittlung des Scheidungsantrages durch einen Anwalt oder Anwältin erfolgt ohnehin seit der Einführung einer elektronischen Kommunikations-Infrastruktur auf dem elektronischen Weg - und zwar immer und vor allem verpflichtend. Jedenfalls in dieser Hinsicht ist damit also jede Scheidung eine Online-Scheidung. (Das betrifft im Übrigen inzwischen alle Klageverfahren vor einem deutschen Gericht, aber das nur am Rande). Auch der weitere Informationsaustausch zwischen den Anwält*innen und den Familiengerichten erfolgt immer auf dem elektronischen Weg.

Der Scheidungstermin an sich findet dann in der Regel in Präsenz statt. Nur unter bestimmten Umständen, wie etwa während der Covid-Pandemie, lassen die Familiengerichte es einzelnen oder allen Beteiligten nach, an dem Scheidungstermin mittels Videokonferenz teilzunehmen.

Scheidungen per Mausklick gibt es nicht!

Wenn man unter Online-Scheidung also ein Scheidungsverfahren versteht, welches einem nur den persönlichen Gang zum Rechtsanwalt erspart, dann gibt es die Online-Scheidung. Versteht man darunter ein Scheidungsverfahren, welches das persönliche Erscheinen der Eheleute im Scheidungstermin nicht mehr erfordert, weil die Teilnahme am Scheidungstermin auch mittels Videoübertragung oder sogar „per Mausklick“ möglich ist, dann gibt es die Online-Scheidung nicht.

Begriff Online-Scheidung mindestes irreführend, eher falsch

Da die Scheidung begrifflich die Auflösung der Ehe meint und diese durch Beschluss des Familiengerichts in der mündlichen Verhandlung ausgesprochen wird, an der die Beteiligten persönlich teilnehmen, ist der Begriff Online-Scheidung zumindest irreführend, wenn nicht gar falsch. Ob der Informationsaustausch den Beteiligten ausschließlich mittels E-Mail und telefonisch ausreicht, entscheiden meine Mandant*innen und ich stets individuell. Ich rate Eheleuten, die sich im gegenseitigen Einvernehmen trennen und keine umfangreichen Folgesachenregeln erfordert, gerne auch aus Kostengründen dazu, alles auf digitalem Wege zu regeln sind. Kommen , zusätzlich Kindschaftsangelegenheiten, Unterhalt, Zugewinnausgleich usw. hinzu, ist eine persönliche Beratung sicherlich sinnvoll.

Kosten der Scheidung

Ob ein Scheidungsverfahren in der Vorbereitung digital oder persönlich erfolgt, spielt kostenmäßig eine untergeordnete Rolle, jedenfalls bezogen auf die Verfahrenskosten. Die Mandant*innen ersparen sich ggfls. Fahrtkosten in die Kanzlei und vielleicht auch etwas Zeit. Das kommt aber auch darauf an, wie geübt man darin ist, Unterlagen beispielsweise zu digitalisieren und per E-Mail zu versenden. 

Auf die Höhe der Gerichts- und Anwaltskosten hat die Wahl zwischen „Online-Scheidung“ und „herkömmlicher Scheidung“ keine Auswirkung. Die Kosten einer Scheidung bemessen sich nach dem Gerichtskostengesetz und dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Diese berechnen sich ausschließlich nach dem Verfahrenswert, auf den es keinen Einfluss hat, ob der Mandant den Anwalt zuvor in dessen Kanzlei besucht hat oder nicht. Wenn Ihnen jemand etwas anderes erzählt, fordern Sie ihn gerne auf, Ihnen die Ersparnis zu erläutern.

Häufig ist sogar das Gegenteil der Fall. Gerade Kanzleien, die auf „Online-Scheidungen“ spezialisiert sind und diese bundesweit anbieten, beauftragen häufig einen sogenannten Terminsvertreter, also eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt, die/ der den Scheidungstermin am Gerichtsort wahrnimmt. Die Kosten für die Beauftragung werden dem Mandanten in der Regel zusätzlich in Rechnung gestellt.

Biete ich bei rechtanders also in diesem Sinne „Online-Scheidungen“ an? 

So gesehen: ja. Meine Kanzlei ist mit zeitgemäßer Technik sehr gut ausgestattet, ich verwende moderne Kanzlei- und sonstige Software, die Aktenführung erfolgt ausschließlich digital. Nicht selten genügt es, meine Mandant*innen digital zu betreuen und zu beraten - nicht nur in familienrechtlichen Angelegenheiten. Wenn ein Gerichtstermin erforderlich wird, begleite ich sie selbstverständlich persönlich - und das ist gut und richtig so.